Am 27. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz von der Roten Armee befreit. Anlässlich dieses Termines beteilgte sich eine Schülerdelegation an der Gedächtnisveranstaltung am Todesmarschdenkmal an der Neuen Bergstraße ganz in der Nähe unserer Schule.
Respekt ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält
Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus 2017
von Stadpfarrer Michael Zeitler
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens, sehr geehrte Damen und Herren. Am Samstag vor zwei Wochen war in einer großen Tageszeitung eine interessante Reportage über „Respekt“ zu lesen. Darin ging es vor allem um den mangelnden Respekt gegenüber Polizisten, Feuerwehrleuten, Sanitätern, und Zugbegleitern. Der Respekt ihnen gegenüber habe stark abgenommen, so das Fazit des Artikels. Das ist bedauernswert, denn gegenseitiger Respekt ist wichtig für ein gut funktionierendes Miteinander, er ist sozusagen der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.
1. Wir müssen unseren Mitmenschen respektieren
Sehr geehrte Damen und Herren, auf drei wichtige Aspekte des Respekts möchte ich deshalb eingehen. Zunächst ist Respekt vor allem gegenüber unseren Mitmenschen gefragt. Nicht nur vor jenen, die ein Amt innehaben und etwas leisten. Nicht nur vor jenen, die Geld und Macht ihr eigen nennen. Nicht nur vor jenen, die wir als Stars und Sternchen verehren. Nein, Respekt ist etwas, dass jedem Menschen zusteht – und zwar von Anfang an. Die sogenannte Goldene Regel, „behandle andere so, wie du behandelt werden möchtest“, ist wahrscheinlich noch viel älter als jede Religion. Die zehn Gebote des Alten Bundes wollen die menschliche Freiheit nicht beschränken, sondern den Respekt zwischen den Menschen fördern. Und mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe erreicht der zwischenmenschliche Respekt doch so etwas wie seinen Höhepunkt.
Respekt verdient in unserer Gesellschaft zunächst einmal jeder – egal welchen Alters, welcher Ethnie, welcher Religion und welchen Geschlechts. Gerade die Zeit des Nationalsozialismus führt uns leider vor Augen, wohin der Weg führt, wenn hier Ausnahmen gemacht werden. Sie führt uns vor Augen, was geschieht, wenn plötzlich Unterschiede zwischen Religionen und Ethnien gemacht und willkürliche Grenzen zwischen gesund und krank gezogen werden. Hier ist unsere Gesellschaft auch heute gefragt, denn es gibt kein wertvolleres oder wertloses Leben.
Beschämend muss hier auf den US-Wahlkampf verwiesen werden. Ein Wahlkampf, der von tiefer Respektlosigkeit gegenüber Minderheiten, Frauen und politischen Gegnern gekennzeichnet war. Doch den absoluten Tiefpunkt erreichte er, als der heutige US-Präsidenten vor laufenden Kameras einen Behinderten nachgeäfft hat. Wenn selbst das höchste Amt des Staates keinen Respekt mehr vor Menschen zeigt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis menschenverachtende Tendenzen in der Politik Einzug halten und diese Welle auf die Gesinnung des Volkes überschwappt.
2. Wir müssen die Wahrheit respektieren
Respekt, sehr geehrte Damen und Herren, ist aber auch vor der Wahrheit gefragt. „Fake-News“ ist so ein Stichwort, das uns in diesen Tagen immer wieder beschäftigt. In den Vereinigten Staaten erleben wir bereits, wie versucht wird, die Wahrheit zu verzerren. Wenn es nur die Zahlen zur Amtseinführung sind, dann kann man das ja noch belächeln. Es ist jedoch zu befürchten, dass dieses Heranziehen sogenannter „alternativer Fakten“ Methode wird.
Wohin diese Respektlosigkeit vor der Wahrheit führen kann, führt uns auch der heutige Gedenktag vor Augen. Was wurde den Menschen des jüdischen Volkes nicht alles im Laufe der Geschichte unterstellt? Alles Schlechte und Böse wurde ihnen angedichtet. Für Krankheiten wurden sie verantwortlich gemacht, für wirtschaftliche Krisen und für Missernten. Und das nicht erst in der Zeit des Nationalsozialismus, sondern schon bereits Jahrhunderte vorher. Eine ähnliche Blindheit vor der Wahrheit erfahren wir heute, wenn auf den Terror verwiesen wird. Eine oft zitierte Formel besagt, nicht jeder Moslem sei zwar Terrorist, aber
jeder Terrorist ein Moslem. Mit dieser einfachen Formel wird eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert. Dabei wird jedoch verschwiegen, dass die meisten Opfer des Terrorismus heute Moslems sind. Gerade die beiden jungen Männer aus Landsberg und Kaufering, die am Silvesterabend in Istanbul getötet wurden, erinnern uns daran.
Die Augen vor der Wahrheit nicht zu verschließen heißt für uns aber auch, einen Gedenktag wie diesen zu pflegen. Wir müssen der grausamen Wahrheit unserer Geschichte in die Augen schauen, damit so etwas in unserem Land nie wieder geschieht.
3. Wir müssen unsere Werte respektieren
Ein drittes, sehr geehrte Damen und Herren, vor dem uns nie der Respekt fehlen sollte, sind unsere Werte. Unsere Werte sind in Grundgesetz und Verfassung relativ klar bezeichnet. Diese gilt es zu schützen und zu respektieren, egal von welcher Seite. So darf in unserem Land sicherlich kein Platz sein für Menschen, die unsere Werte und unsere errungenen Freiheiten nicht respektieren. Und es darf auch kein Platz sein für Parteien, die diese Werte und unsere Verfassung mit Füßen treten. Nur beschämend ist jenes Urteil zu nennen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Woche fällte. Die Partei der Holocaust-Leugner NPD wird nur deshalb nicht verboten, weil sie,
so die Begründung des Gerichts, zu klein und unbedeutend sei. Ein Urteil, über das man nur den Kopf schütteln kann. Eine Partei, die unsere Werte und unsere Verfassung nicht respektiert, kann und darf in unserem Land keinen Platz haben – egal wie klein und unbedeutend sie ist. Außerdem kann sie keineswegs als unbedeutend bezeichnet werden. Denn nicht immer ist die Anzahl der Wählerstimmen entscheidend. Gift wirkt schließlich auch in kleinen Dosen tödlich. Dieses Urteil ist auch eine Respektlosigkeit vor dem Leid all jener, derer wir heute gedenken.
Sehr geehrte Damen und Herren. Gegenseitiger Respekt ist etwas, das wir immer wieder lernen müssen. Versuchen wir, unseren jungen Menschen diesen Respekt zu vermitteln, indem wir ihn leben. Und versuchen wir, diesen nicht nur bei anderen einzufordern, sondern ihn selbst vor unseren Mitmenschen zu zeigen. Versuchen wir’s, auch wenn es nicht immer ganz einfach ist und wir sicherlich das ein oder andere Mal versagen. Denn Respekt ist schließlich der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.